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Marmara

 

Ece Ayhan

 

SCWERT

 

Für M.C.


 

Rohübersetzung

 

Ihr Meere vom Vagabundendasein! Ihr Kraken
geschmissen gegen die Küste der Unglücklichkeit!
Ist eine Königin mein Sohn, die flügel ausgestreckt.
Deckt sich mit Seidenem. Vergisst immer mehr und mehr
verbrannt sein Vater, ist Magier. Verbringt den Winter
in Saloniki.

Spricht mit einer Frau, gekommen aus Aegypten. Seine
Mattigkeit ein tadelloses Pferd rosa lila.
Schlafengeblieben auf Klippen. Flutet keiner weiss
warum das Meer. Ihr versunkene Schiffe! Ihr
Exilgestalten! Ein weinender Mischling ich.

Ein unbeschreibliches Schwert angeschnallt am
Gürtel trage ich diese Schwarzemotionalitaet.

 


 

Erste Fassung

 

Ihr Meere vom Vagabundendasein! Ihr Kraken
geschmissen gen die Gestade der Unglücklichkeit!
Ist eine Königin mein Sohn, die Schwingen ausgestreckt.
Deckt sich mit Seidenem. Vergisst immer mehr und mehr
verbrannt sein Vater, ist Magier. Verbringt den Winter
in Saloniki.

Spricht mit einer Frau, gekommen aus Aegypten. Seine
mattigkeit ein tadelloses Ross lila rosa.
Schlafengeblieben an Klippen. Flutet niemand weiss
warum das Meer. Ihr versunkene Schiffe! Ihr
Exilgestalten! Ein weinender Mischling ich.

Ein unbeschreibliches Schwert angeschnallt am
Gürtel trage ich diese Schwarzemotionalitaet.

 


 

Zweite Fassung

 

Ihr Meere vom Vagabundendasein! Ihr Kraken
geschmissen gen die Gestade der Unglücklichkeit!
Ist eine Königin mein Sohn, die Schwingen ausgestreckt.
Deckt sich mit Seidenem
vergisst immer
————————mehr und mehr
———————————————verbrannt
————————————————————sein Vater,
—————————————————————————ist Magier.
Verbringt den Winter in Saloniki.

Spricht mit einer Frau,
———————————gekommen aus Aegypten.
Seine mattigkeit
————————ein tadelloses Ross lila
——————————————————rosa.
an Klippen Schlafengeblieben.
Flutet
———niemand
————————weiss
———————————warum
———————————————das Meer.

Ihr versunkene Schiffe! Ihr Exilgestalten!
Ein weinender Mischling
————————————ich.

Ein unbeschreibliches Schwert
——————————————angeschnallt am Gürtel
trage ich diese Schwarzemotionalitaet.

 

uebersetzt von Mustafa Ziyalan

 


 

Mustafa Ziyalan

 

ANMERKUNGEN
ÜBER ECE AYHAN'S SCHWERT

 

            1

            Ich kann mich nur schwer der Einzelheiten Des Übersetzungprozesses und meiner Motive für diese Übersetzung und ihre diese Ausführung —nach Krolow jenes ganzen Bündels von Motiven— entsinnen, weil ich damals 17 Jahre alt war. Wohl entschied ich mich eher für das Gedicht als für den Dichter selbst, das übrigens durchaus zu denen zaehlt, die die Eigenart von Ece Ayhan reflektieren.

            Es ist aber kaum möglich einen Dichter, besonders einen wie Ece Ayhan, ein gewichtiges Phaenomen in der türkischen Dichtung, durch ein einziges Gedicht vorzustellen bzw. kennenzulernen geschweige denn in diesem Zusammenhang eine vollstaendige kritische Einstellung ihm und seiner Dichtung gegenüber zu nehmen. Doch könnten manche Feststellungen über den Dichter und dessen Dichtung aufschlussreich sein und uns die fehlenden Anhaltspunkte bieten.

            Ece Ayhan versucht sich möglichst im eigenen sprachlichen bzw. poetischen Raum zu bewegen. Seine Dichtung, deren Elemente —vor allem Worte und Wörter im breitesten Sinne— er sich gleichsam archaeologisch aus der Geschichte —wiederum im breitesten Sinne des Wortes—, aus einem anderen zeitlich—geschichtlichen Zusammenhang erarbeitet, droht den Leser, ja den Dichter selbst auszuschliessen und zu einem gekünstelten Gebilde zu erstarren, woran das Poetische völlig scheitern würde.

            Andererseits wirkt aber diese durch die Bilder, die aus der Wechselwirkung aller Inhalte ihrer Elemente zustande kommen, durch die Wechselwirkung der Bilder untereinander und mit dem Leser und nicht zuletzt durch den Leser, sondern zugleich über alles Erwaehnte hinaus auf den zeitlich—geschichtlichen Zusammenhang, in welchem sie waehrend des Lesens steht. Gerade aus dieser Wirkung, aus diesem ihm eigenen Geflecht von Wechselwirkungen erhebt sich erst das Poetische, in unserem Falle die Dichtung von Ece Ayhan, erhebt sich als ein aktives Element der aeusseren Wirklichkeit, wie es sich für Poesie gehört. So belebt sich das Gebilde, das vorhin zu erstarren drohte und setzt sich vor allem mit dem Sprachlichen auseinander, indem es besonders an den vorhandenen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Sprache, an den durch die Sprache erlebten bzw. aufgezwungenen Machtverhaeltnissen, sozusagen an der "herrschenden Sprache", rüttelt. Es selbst ist ein Produkt von solchen Aueinandersetzungen bzw. Rüttelungen. Das laeuft auf eine Auseinandersetzung mit der aeusseren Wirklichkeit hinaus, aus welcher sich die Ayhan'sche Dichtung eigentlich vergebens zu verdammen sucht, auf die Rüttelung deren, des Vorhandenen und Herrschenden, wie es sich für Poesie gehört, zwar als Elementarste. "Poesie ist ein Spurenelement. Ihr blosses Vorhandensein stellt das Vorhandene in Frage." (Enzensberger.) Inwieweit und wie mittelbar bzw. unmittelbar das bei Ayhan geschieht, ist dennoch ein Problem, das diskutiert werden sollte und einen wichtigen Anhaltspunkt für die erwaehnte kritische Einstellung ihm und seiner Dichtung gegenüber bieten könnte.

 

            2

            Zur Übersetzung des Gedichts müsste man also nach entsprechenden poetischen Elementen suchen, die der "herrschenden Sprache" möglichst fremd sind und doch für ein Gedicht taugen. Bei der Rohübersetzung, bei diesem primitiven Stadium der Übersetzung waehrend des Übersetzungsprozesses, versuchte ich eine im Deutschen gewissermassen "unmögliche" Formulierungsweise und vor allem dadurch eine eigenartige, ja fremde Artikulation und einen eigenartigen bzw. fremden Rhytmus zu erhalten. Ich vermied Verse, liess aber "Saetze" in einer dem Gedicht und meinen erwaehnten Bestrebungen möglichst passender Weise abbrechen, um die zufaelligen Abbrechungen beim Satz zu unterbinden. Das Wort "Schwert" liess ich ohne Artikel.

            Andererseits ging ich an die Wortwahl, um das Gedicht zu einem kompakteren, homogenen Ganzen zu bearbeiten, das dem Original besser entspricht. Ich versuchte, meine Wörter einem vergangenen, abgedraengten Vokabular zu entnehmen, also anderen zeitlich-geschichtlichen Zusammenhaengen, weil ich mich sonst wohl der naechsten Möglichkeit, den Jargonen, den Sprachen der gegenwaertigen Subkulturen wenden sollte, was die Übersetzung möglicherweise von dem Original ablenken würde.

            So habe ich nach dem ganzen Prozess, was ich insgesamt auch eine poetische Bearbeitung nennen könnte, diese zwei "Fassungen" erhalten, die mir endlich als Lösungsvorschlaege zur Übersetzung dieses Gedichts erscheinen. Theoretisch sind aber unendlich viele Lösungen möglich. Diese drei Gedichte, die "Rohübersetzung", die man ohnehin als ein Gedicht bezeichnen kann, und die zwei "Fassungen", unterscheiden sich nicht nur in ihrer Form und/oder Wortwahl voneinander; sie sind keine grundsaetzlich verschiedene, aber doch verschiedene Gedichte.

            Bei der zweiten "Fassung" habe ich versucht, dem Gedicht den Charakter eines Fragments zu verleihen, etwa den Charakter eines antiken Fragments, wie man den z.B. in der Dichtung von Sappho begegnet, oder den eines fragmentarischen Monologs eines Delirierenden, auch als Anspielung auf "Delires" von Rimbaud gemeint. Dadurch gelang es auch, glaube ich, manches hervorzuheben, überhaupt ein anderes Gedicht zu erhalten. Die Reime sind als ein Element, das den völligen Zerfall dieser neuen "Fassung" verhindert, toleriert worden.

            Ich glaube, die Versuche, alle Züge des Übersetzungsprozesses, die die unmittelbare Übertragung angehen und diejenigen, die die Dichtung, das Dichterische angeben, festzustellen, klar zu unterscheiden und in einem vollstaendigen Zusammenhang zu erlaeutern, würden entweder zu subjektiv sein oder auf einen verblendenden Positivismus hinauslaufen.

            So habe ich hierzu nur versucht, im Gegensatz zu Bachmann, selbst über das Dunkle manches Helle zu sagen. Der Leser sollte selbst versuchen sich einen der möglichen Übersetzungsprozesse vollstaendig vorzustellen bzw. aufzuführen, welche eine Lösung zur Üersetzung des Gedichts ergeben.

 


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